Tag 11 – wer sein Rad liebt, der schiebt

Land unter

Die ganze Nacht über hatte es kräftig geregnet. Im Zelt blieb ich zwar trocken, um mich herum aber war die Landschaft eine einzige Pfütze. Der Regen, der mich auch am morgen begleitete, tat der Stimmung trotzdem keinen Abbruch, ich freute mich riesig auf den Tag, denn was die Hardangervidsa, Europas größte Hochebene, bereits am Vortag an Vorgeschmack geliefert hatte, machte Hunger auf mehr. Und so war es ein gutes Gefühl, als allererster auf der Piste zu sein. Denn auch das hatte sich bereits am Tag zuvor angebahnt: Der Rallarvegen ist eine kleine Touristenattraktion. Zahlreiche dickbäuchige Touristen machen auf ausgeliehenen Mountainbikes hier ihren Ausflug hin. Um sieben Uhr in der früh waren sie aber vermutlich noch nicht mal am Frühstücksbuffet.

Über die Wasserversorgung muss man sich hier wahrhaftig keine Gedanken machen – Wasser strömt von überall herunter

Aber auch das hatte sich schon am Tag zuvor angebahnt: auf dem Rallarvegen muss viel geschoben werden. Nachdem anfangs dicke Felsbrocken und Steine Kraft und Konzentration erforderten, stellten sich schon nach wenigen Kilometern Abschnitte mit tiefem Schnee in den Weg. Schieben oder tragen, andere Optionen gibt es hier nicht.

Eine Schneedecke, die bereits von Wasser unterhöhlt war, hielt auf einmal meinem Rad nicht mehr stand, sodass dessen Hinterrad mit all seinen Gewicht nach unten krachte. Nachdem ich es wieder herausgehoben hatte und die Schneepassage wieder verlassen hatte, fiel mir das Schleifen der Hinterbremse auf: neben einer gebrochenen Speiche hatte ich mir einen schönen Achter eingefangen. An ein weiter fahren war nicht mehr zu denken.

Käsebrot. Auch in 1343 Metern ein gutes Brot.

Zwar hatte ich in waiser Voraussicht und nach der Erfahrung meiner letzten Tour im Vorfeld zwei Speichen eingepackt. Am Hinterrad muss man, um diese einzusetzen, aber die Kassette vorher entfernen, wofür man Werkzeug benötigt, dass man kaum mitschleppen kann. Ein mir entgegen kommender Mountainbiker machte mir dann aber Mut, da er mir verriet, dass der ca. 12 km Ort Finse Fahrräder vermietet. Die mussten doch auch passendes Werkzeug haben. Und so begann mein Marsch, der mich diese faszinierende Natur noch genauer bestaunen ließ. Glücklicherweise schaute zwischendurch auch mal die Sonne durch.

Der Rallarvegen ist schon etwas besonderes. Während man als Radfahrer selbst in den Alpen kaum lange über 1000 Metern verweilt, da man meistens nur Pässe passiert, um vom einem Tal ins nächste zu kommen, fuhr bzw. schob ich hier über 50 km auf dieser Höhe. Gleichzeitig war heute auch die bislang flachste Etappe meiner Reise. Da der Rallarvegen den Bahnarbeitern zum Transport von Material diente, musste er auch von schwer beladenen Pferden passiert werden können. 

Nach einem dreistündigen Marsch, der so ziemlich jedes Wetter beinhaltete, was Petrus auf Lager hat, erreichte ich dann Finse, wo mir in einer kleinen Fahrradwerkstatt tatsächlich die Speiche eingesetzt und das Rad zentriert werden konnte, sodass ich meine Reise doch fortsetzen kann.

Der Rallarvegen war für mich das Highlight meiner Reise. Obwohl ich einen sehr großen Teil schieben musste, wird mir dieser Radweg doch besonders in Erinnerung bleiben.

Arsch im Sattel:

75 km heute

882 km insgesamt

3 Gedanken zu “Tag 11 – wer sein Rad liebt, der schiebt

  1. Mach Dich nicht kaputt, Junge: Ich will Dich am 12.8. gesund und topfit in die Arme schließen!
    Gruß auch von Helga und gute Weiterfahrt.
    Dein Eugen

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    • Lieber Eugen, keine Sorge, bis zum 12. habe ich das Rad im Notfall auch bis Saarbrücken geschoben.
      Liebe Grüße!

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